Was die Demokratie schon bei der Befassung mit dem Nationalsozialismus ausgezeichnet hat, setzt sich im Umgang mit den Neofaschisten von heute fort: Der deutsche Faschismus von 1933-45 gilt als Inbegriff eines undemokratischen Unrechtsstaats: Er ist die Diktatur, die den Holocaust verbrochen hat, für Euthanasie und Zuchtburgen verantwortlich war und einen verlorenen Weltkrieg auf dem Gewissen hat. Kurz, die deutschen Faschisten waren und sind der Inbegriff des Bösen und stehen für all das, was Demokraten in ihrem politischen Programm nicht vorgesehen haben. Letztere sind deshalb auch die Guten, auf jeden Fall die Besseren und ein Bollwerk gegen den Faschismus. Heute muss man folglich nur noch auf die Bösen zeigen, die Neonazis nur noch an Kleidung, Symbolik oder Musik identifizieren, um ihre politische Ausgrenzung einzuleiten, die sich dann in der Verbotsdebatte fortsetzt: Politische Verbrecher gehören nicht auf die demokratische Bühne. Da sind sich demokratische Politiker aller Lager einig â übrigens auch mit dem deutschen Vorgängerstaat.
Eine Kritik der politischen Programmatik des alten und neuen Faschismus ist das nicht. Nicht einmal von einem Vergleich zwischen Demokratie und Faschismus kann die Rede sein, wenn am Faschismus nur die Abwesenheit demokratischer Tugenden entdeckt und umgekehrt die Demokratie dafür gepriesen wird, dass sie keinen Völkermord an Juden oder anderen als staatsfeindlich ausgemachten Bevölkerungsteilen im Programm hat.
Ohne groÃen theoretischen Aufwand kann dagegen festgestellt werden, dass sich 1.) die Demokratie als Bollwerk gegen das Böse alles andere als bewährt hat, weswegen die Vorstellung, sie hätte diese Funktion, mindestens eine nähere Ãberprüfung verdient und dass 2.) das Lob der Demokratie überhaupt nur zu haben ist, wenn man all das aus der Betrachtung ausschlieÃt, was diese beiden Herrschaftssysteme gemeinsam haben: Als Nationalstaaten mit Interesse an starker Führung und staatlichem Gewaltmonopol, als Verfechter der kapitalistischen Wirtschaftsweise mit Ausbeutung und Rentabilitätsprinzip, als Anhänger der Keimzelle âFamilieâ, welche Nachwuchs für alle nationalen Fronten zu produzieren hat, als Ausländerfeinde und Kommunistenfresser weisen sie einen umfangreichen gemeinsamen Grundbestand von Elementen bürgerlicher Herrschaft auf.
Zusammenfassend stellt sich da also schon die eine oder andere Frage, auf die der Vortrag die Antworten nicht schuldig bleiben will:
Worin decken und worin unterscheiden sich Demokratie und Faschismus?
Wie erklärt sich, dass Demokratien immer wieder faschistische Bewegungen hervorbringen?
Warum werden faschistische Parteien hierzulande mit Verboten bedroht, die in anderen europäischen Staaten für regierungsfähig erklärt werden?
Was treibt die Antifa an die Seite jener bürgerlicher Verbotsparteien, die doch mit ihnen auch kein Pardon kennen? Usw.